Jakobsweg

Im September 2017 bin ich mit dem Fahrrad den Jakobsweg in Spanien gefahren. Gebucht hatte ich die Route von Astorga bis nach Santiago de Compostela. Insgesamt waren knapp 270 km in 7 Tagen zurückzulegen. Es war eine aufregende Reise, denn ich hatte vorher keinerlei große Erfahrungen im Zurücklegen von längeren Strecken, noch war ich bisher alleine unterwegs. Aber diese Strecke wollte ich für mich alleine erfahren. Ich habe Euch Eindrücke vom Weg aufgehoben und zeige Euch, was ich gesehen habe. Keiner geht verloren auf diesem Weg, denn entweder gibt es einen Hinweis, wo es lang geht oder Du sieht einen Wanderer oder erblickst einen Pilger auf dem Fahrrad.
"Wenn es nicht schnell geht, geht es eben langsam, aber es geht!"

1. Tag Ankunft in Astorga

Mit dem Bus geht es mit dem Bus nach Astorga. Das bereits vorgebuchte Hotel des Reiseveranstalters "Rad und Reisen" ist leicht zu finden. Das Anmelden geht ohne Probleme und ich erhalte weiter Unterlagen zu den einzelnen Tagesrouten. Da ich das Fahrrad erst morgen erhalten, bleibt mir Zeit, den Pilgerpass zu besorgen. Meine credencial erhalte ich in der öffentlichen Pilgerherberge. In dieser kann ich nun meine Stempel sammeln, die am Ziel in Santiago de Compostela den zurückgelegten Weg dokumentieren und mich als Pilger ausweisen.

In vielen Orten gibt es sogenannte Pilgermenüs, die für 10 Euro den Pilger mit einer Vorspeise, Hauptgericht, Nachspeise, Wein und Wasser stärken.


Fazit: Wenn man irgendetwas nicht genau weiß, fragt man halt.

Inhalte von Google Maps werden aufgrund deiner aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Klicke auf die Cookie-Richtlinie (Funktionell), um den Cookie-Richtlinien von Google Maps zuzustimmen und den Inhalt anzusehen. Mehr dazu erfährst du in der Google Maps Datenschutzerklärung.

2. Tag Molinaseca


Länge der Strecke: 49,1 km
Höhenmeter: 707 m

 

Zum Frühstück gibt es Toast, Marmelade, Kaffee und Obst. Anschließend hole ich das Fahrrad ab, packe Fotoapparat, Regenjacke, Kekse und Wasser in die Packtasche. Ein Lächeln im Gesicht und das Rad bewegt sich vorwärts, als ich erwartungsvoll in die Pedalen trete. 

Die ersten Eindrücke auf der ebenen Straße sind überwältigend, denn ich weiß, ich bin jetzt auf dem Jakobsweg.

 

 

Fazit: Wenn es nicht schnell geht, geht es eben langsam, aber es geht.


3. Tag Las Herrerias

Länge der Strecke: 48,7 km

Höhenmeter: 300 m

 

Heute starte ich früh am Morgen bei 7 Grad. Das ist zwar kühl, aber erfrischend und eine Freude mit dem Krähen der Hähne in die aufgehende Sonne zu fahren. Der erste Stop ist in Ponferrada. An der alten Burg vorbei fahre ich durch die Stadt und suche ein Zeichen für den weiteren Weg, folge einem vereinzelten Fahrradfahrer und werde nett von einem Einheimischen an der Kirche vorbei mit dem Storchennest navigiert. Ich bin auf dem Weg und bekomme bei einer Kirche mit freiwilliger Spende einen Stempel für meinen Pilgerpass. Es gibt rechts und links des Weges einiges zu sehen. Und während ich meinen Gedanken freien Lauf lasse, halte ich an, halte ein und fotografiere. In Villafranca de Bierzo mache ich meine Mittagspause. Zunächst gehe ich zur Kirche neben der eine liebe volle Herberge auf Gäste wartet. In den 25 Jahren ihres Bestehens hat sie sich den Bedürfnissen der Pilger angepasst. Als letztes sind sicherlich die spanischen Entsorgungsboxen für den Camino hinzu gekommen. Mit einem Kaffee in der Hand tausche ich ein paar Worte, um anschließend am Marktplatz der Stadt alte, schöne und zerfallende Häuser zu betrachten. Alles dicht beieinander. Jetzt ist es Zeit, aufzubrechen. Der Weg geht über den Fluss aus der Stadt. Es sind noch 200 Kilometer bis zum Höhepunkt der Reise - die Kathedrale in Santiago de Compostela.

 

Es sind noch einige Kilometer bis zur nächsten Herberge, die auf dieser gebuchten Radreise mit komfortablem Standard ausgewählt wurden. Natürlich kann man auch einfach und auf eigene Faust den Weg zurücklegen. Wenn Ihr das wollt, geht ran, aber habt ein wenig Zeit mit im Gepäck. 

Der Rest der Strecke heute geht an der Straße entlang. Es ist ebenmäßiges Gelände und ich komme gut voran, so dass ich mehrere Pausen einlege, um nicht zu früh anzukommen. 

Fazit: Nimm Dir Zeit und lass Dir Zeit.


4. Tag Sarria

Länge der Strecke: 44,2 km

Höhenmeter: 258 m

 

Es gibt ein einfaches Frühstück mit Toast, Jogurt und Marmelade, dazu 3 Tassen café con leche.

Bei diesem Anstieg ist es mir nicht möglich zu fahren und so schiebe ich fast 7 Kilometer den Berg hinauf, während ich der aufgehenden Sonne zusehe.

"In stürmischen Zeiten such Dir das Auge des Hurrikans"

Die angegebenen Höhenmeter verschmelzen mit dem gestrigen Tag. Nach 2 Stunden habe ich den Aufstieg geschafft, total durchgeschwitzt, völlig erledigt und glücklich. Ich habe Wechselkleidung dabei und ziehe mich schnell um, damit ich mich nicht erkälte.

O Cebreiro heißt der Ort, der seinen eigenen Spirit besitzt und mir in der kleinen Kapelle die Tränen in die Augen treibt. Die Anstrengung ist aber bei einem leckeren Kaffee sitzend schnell vergessen. Im strahlenden Sonnenschein geht es den Weg weiter. An einer Pilger Statue halte ich kurz und bitte um Kraft. Die letzte Steigung bis zum höchsten Punkt ist unglaublich und ich schraube mich diesmal im leichten Slalom den Berg hinauf. 

GESCHAFFT.

 

Der vierte Tag endet in Sarria. Die Stadt ist die größte zwischen Pnferrada und Santiago und hat einen historischen Stadtkern. Nach der vielen Landschaft und dem Reisen auf dem Camino fühlt man sich in dieser Stadt fast verloren. In der Altstadt esse ich nach langem Überlegen abends mein Pilgermenue und leere bei einem netten Gespräch mit Luisa und Mark aus Seattle meine Flasche Rotwein. Da mein inneres GPS gut funktioniert, finde ich mein Hotel schnell wieder und schlafe schnell ein. Morgen wird es weitere Steigungen auf meinem Weg geben und ich muss fit sein. Es ist tröstlich, dass ein freundliches Gespräch gegen Heimweh hilft.

 

Fazit: Manchmal muss man sich verausgaben, um Wesentliches erleben zu können. 



Fazit:  Du bist nicht allein und schicke bei der inneren Betrachtung und den alltäglichen Kämpfen ein Lächeln in die Welt. 

5. 

5. Tag Palais de Rei

Länge der Strecke: 48 km

Höhenmeter: 1177 m

 

Es ist noch fast dunkel, als ich anhand des Tourenbuches versuche, den richtigen Weg für mich und mein Fahrrad aus der Stadt zu finden. Zusammen mit der Sonne erklimme ich die ersten Steigungen. Am Himmel hinter dem Windpark sieht man bereits Regenwolken. Es fängt an zu nieseln, kein gelber Pfeil, kein Pilger. Das Heimweh von gestern kehrt wieder. Landschaft im Nebel, Bauernhöfe und Hunde, die neben dem Fahrrad herjagen. Erst nach 10 km sehe ich die ersten Pilger, bin erleichtert und erreiche nach 27 km Portemarin. In der Kathedrale gibt es auch während des Gottesdienstes den Pilgerstempel und im Café gegenüber den Kaffee zur Stärkung. Dieser Ort wird für die Mittagspause empfohlen. Ich aber fahre weiter, will erst die nächsten Steigungen hinter mir haben, In Gorzo gibt es zum Mittag eine ordentliche Portion für nur 4 Euro. Gut gestärkt können die nächsten Kilometer in Angriff genommen werden. Buen camino lautet der Abschiedsgruß. In der Casa Molar trinke ich meinen nächsten Kaffee. Die Sonne ist wieder da und die Herberge ist gut gefüllt. Ich habe noch einige Kilometer bis nach Palas de Rei. Hier treffe ich nach dem Einchecken auf Henrik aus Dänemark, von dem ich ein Erinnerungsfoto mache. Ein wenig den Ort erkunden, Abend essen und ab ins Bett.  Ein ruhiger Platz und ich schlafe schnell ein.

 


6. Tag O Pedrouzo

Länge der Strecke: 60,3 km
Höhenmeter: 1177 m

Heute ist der letzte Tag mit einer langen Strecke und ich möchte mir Zeit lassen. Deshalb beschließe ich, mir das Castelo de Pambre anzugucken. Es geht rauf und runter über Kilometer und kein Castelo in Sicht. Das ist mir nicht geheuer und so fahre ich unverrichteter Dinge wieder nach Palais de Rei. Am anderen Ende des Ortes starte ich den Tag nun erneut. Die ersten Kilometer des Weges kenne ich bereits. Die 15 km nach Melide fahre ich nun auf der Straße und lasse das Tourenbuch in der Tasche. An der Kirche am Markt treffe ich Hendrik aus Dänemark wieder, er hat den Weg zu Fuß in der gleichen Zeit wie ich geschafft. An der Kapelle am Ortsausgang geht der Camino weiter und ich verlasse die Straße. Da sehe ich Hendrik, steige ab und schiebe das Fahrrad die nächsten Kilometer, die wir vergnügt im Gespräch auf deutsch und englisch zurücklegen. An einer Kreuzung, an der es einen Camino für den Sommer und Winter gibt, entscheiden wir uns gemeinsam für die längere aber sonnigere Variante. In Boente essen wir gemeinsam Mittag und die Pause in der Sonne lässt uns zu Kräften zu kommen. Um 14.00 Uhr verabschiede ich mich, aber ich habe beschlossen, die letzten 35 km dem Camino zu folgen. Dafür braucht man keinen Routenplaner und die Strecke ist mit nur kleinen Steigungen gut mit dem Fahrrad zu bewältigen. Ich fahre durch Wälder, kleine Dörfer und an Feldern vorbei und die Landschaft zeigt sich beeindruckend vielfältig. Der Weg hat seine eigene Energie, die jederzeit spürbar ist.
Als ich am späten Nachmittag an meinem letzten Etappenziel ankomme, lade ich meine Akkus, dusche und gehe essen. Hier gibt es zum Pilgermenü 1 Glas Wein und ich denke an den Spruch, den ich auf dem Weg gelesen habe: "The end is a present, open it slowly".

Fazit: Umzukehren ist manchmal der bessere Weg


Nach den ersten Fotos von der Stadt bringe ich mein Gepäck ins Hotel Avenida. Anschließend geht es zu Fuß an der Kathedrale vorbei und die nächsten 2 Stunden stehe ich in der Schlange der Pilger, um meine Urkunde zu erhalten. In der schützenden Rolle für 2 Euro trage ich meinen Schatz durch die Stadt und sammle weitere Eindrücke.

Ich werde morgen um 12.00 Uhr in die Pilgermesse gehen. In der untergehenden Sonne, die durch einen Torbogen bei der Kathedrale fällt, lausche ich einer Opernsängerin. Als sie das Lied "Halleluja" singt, laufen mir Tränen der Freude über das Gesicht.

"Lasst Lieder Eure Sehnsüchte ausrücken!"

7. Tag Santiago de Compostela

Länge der Tour: 20,8 km
Höhenmeter: 490 m

Ich starte gestärkt mit Spiegelei, Speck und Toast die letzte Etappe des Weges. Das kurze Stück durch die Stadt bis zum Camino fahre ich mit dem Fahrrad, dann steige ich ab und schiebe den Drahtesel die letzten 20 Kilometer. Es regnet leicht, der Weg ist dunkel, scheint es an einer Stelle, als würde der Boden von der Sonne beschienen. Wie auch immer, es geht weiter bis zum Monte Gozo, von dem man bei gutem Wetter die Kathedrale sehen kann, aber heute ist es neblig und die Sonne bricht erst spät durch die Wolken.

Um 13.15 komme ich in Santiago des Compostela an. Geschafft der Weg von Astorga nach Santiago - das war mein Camino - ergreifend.

 

 

 


Die Kathedrale von Santiago de Compostela ist eine Kathedralkirche des ansässigen Erzbistums. Sie steht über einer Grabstätte, die dem Apostel Jakobus zugeschrieben wird und ist Ziel des Jakobsweges. Durch die bischöfliche und päpstliche Anerkennung der aufgefundenen Gebeine als Reliquien des Jakobus gilt diese Kathedrale als Grabeskirche des Jakobus und sie ist beeindruckend. Romanischer Baustil gepaart mit Barock und Anbauten aus der Zeit der Renaissance; es gibt viel zu entdecken. Es gibt viele Zeichen der Begegnung an einem Ort, an dem sich viele begegnen.

"In der Stille ist kein Druck, denn Stille ist barmherzig!"



8. Tag Santiago de Compostela


Es ist bereits halb zwölf als ich mich in die Schlange stelle, um an der Pilgermesse teilzunehmen. Die Kathedrale ist voll, aber ich finde eine Bank im Hauptschiff, auf der nur 4 Menschen sitzen. Man macht mir Platz und ich finde mich neben einem Holländer wieder, der mir auf deutsch erzählt, dass er in Frankreich lebt. Die Nonne singt die Liturgie wie ein Engel und da heute "Schutzengel-Tag" ist, ist auch die Schutzpolizei der Stadt unter den Anwesenden. Der Erzbischof predigt zur Feier des Tages. Er zählt unglaublich viele Länder auf, aus denen die vielen Pilger nach Santiago gekommen sind. Es wird das Abendmahl gefeiert und man bereitet das Schwenken des großen Weihrauchfasses vor. Ich kann es nicht fassen und bin überglücklich, dieses besondere Ereignis erleben zu können.
Nach einer Stunde ist die Messe vorbei und ich lasse mich auf die Einladung der deutschsprachigen Pilgerseelsorge ein. Im kleinen Rahmen tauschen wir uns über Beweggründe und Erfahrungen unseres Camino aus. Jede Begegnung stärkt und hilft weiter. In der Begegnung erfahren wir Zuwendung, Begleitung und Freude. Diese Botschaft der Begegnung ist allgegenwärtig in der Stadt und so ist es fast nicht verwunderlich, dass ich plötzlich Hendrik gegenüber stehe. Im Café Paradiso sitzen wir abends gemütlich und tauschen uns über Erlebtes und Gefühltes meist in englischer Sprache bis spät in die Nacht aus. Ein unvergesslicher Abend.
"Vertraue darauf, die richtigen Entscheidungen zu treffen!"

Symbolik


Der spirituelle Rundgang in deutscher Sprache beginnt abends um 18.00 Uhr. Er erläutert viele Details der Kathedrale und der verwendeten Symbolik und ergänzt die Erfahrungen der letzten Tage. 

Muschel:

Als Symbol für das Pilgern und als Pilger-Wegweiser zeigt sie entlang der vielen Linien meinen Weg. Am Ziel ist jeder willkommen. Jede Wegerfahrung kann ein Wegweiser in unsere Zukunft sein, kein Zufall sondern ein Zeichen.

Stern:

Sterne weisen über unseren menschlichen Erfahrungshorizont hinaus und verheißen das ganz Andere. Sie hinterlassen eine Leuchtspur am Himmel oder in unseren Herzen.

Santiago Kreuz:

Das Kreuz trägt Lilien als Zeichen der Liebe, die wir in uns tragen. Wir sollen die Liebe zum Blühen bringen.

Kathedrale:

In ihr herrscht große Freude am Ziel zu sein und den Weg mit seinen Herausforderungen hinter sich gebracht zu haben. Diese Freude nehmen wir mit als Lebenselixier, denn Freude bewirkt Lachen und Fröhlichkeit. So können Leib und Seele gesund bleiben oder gesunden. Sie ist ein Ort der Versöhnung und Umkehr. Wenn wir mit den Augen der Liebe sehen, können wir uns selbst mit unseren Fehlern und Schwächen annehmen; wir versöhnen uns mit uns selbst. Die Liebe lehrt uns, zu verzeihen und aus fest getretenen Wegen aufzubrechen. So ist die Umkehr an diesem Ort ein Heimkehren zu mir selbst.

Nach dieser erlebnisreichen Woche geht es wieder nach Hause und ich hoffe, die Güte und Menschlichkeit, die ich erfahren habe, meinen Mitmenschen zeigen zu können.